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Schlaganfall-Blogger

Der Weg zurück ins Leben

von Alexandra Penth

Stuhr

Bloggen, also regelmäßige Erfahrungsberichte im Internet posten, ist eher ein besonders bei Menschen in den Zwanzigern

verbreitetes Phänomen - sollte man zumindest denken. 76 Jahre ist allerdings das Alter von Jürgen Aschemoor aus Kuhlen.

Er beschreibt in Buchform und eben auch in einem Blog sein Leben nach einem schweren Schlaganfall .

So möchte er anderen ähnlich Betroffenen  Mut machen .

W.-K. Lokales _______________________________________ Mittwoch, 23. Oktober 2019

Buchautor und Blogger aus Stuhr-Kuhlen

Stück für Stück zurück

Das Porträt:

Jürgen Aschemoor aus Kuhlen schreibt über sein Leben nach dem Schlaganfall

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Trotz den Folgen des Schlaganfalls : Der Stuhrer Jürgen Aschemoor 

hat ein Buch geschrieben und betreibt einen Internetblog

Jürgen Aschemoor hat es nicht komrnen sehen. Bis auf die Kopfschmerzen Tage zuvor war nichts. Stark waren sie, ja, aber Schmerzmittel hielten sie in Schach .  Zum Einkaufsbummel in die Delmenhorster Innenstadt war er noch selbst mit dem Auto gefahren.

Plötzlich wollten in der Fußgängerzone seine Beine nicht mehr. Seine Ehefrau holte sich von zwei kräftigen Passanten Hilfe ,  um ihn auf

eine Bank zu setzen. Jürgen Aschemoor sackte so weg, sein linker Mundwinkel hing herunter. Die Ehefrau hatte einen bösen Verdacht ,

nahm das Handy ihres Mannes und wählte den Notruf.

Eine Viertelstunde später war Jürgen Aschemoor auf der Intensivstation. Diagnose: Ein schwerer Schlaganfall.

Nun Jahre danach sitzt Jürgen Aschemoor am Wohnzimmertisch seines Kuhlener Hauses. Seine Ehefrau neben ihm. Vor den beiden

liegen zwei Smartphone und das Haustelefon. Seit dem Schlaganfall sind die Geräte ständig dabei.

Jürgen Aschemoor war damals zwar schnell geholfen worden , trotzdem hat er ein Leben lang mit schweren Folgen zu kämpfen.

Bein , Fuß, Arm und Hand und die Finger auf der linken Seite sind gelähmt. Auch nach drei Reha-Aufenthalten hinkt das Bein hinterher,

Er kann nur den rechten Arm, Hand und Finger bewegen. Mit Links kann er sich durch hartnäckiges Training zumindest etwas behelfen .

  Jürgen Aschemoor saß in der ersten Zeit im Rollstuhl, musste das Laufen wieder lernen. In der Reha führte er Buch über seine Übungen

und seine Fortschritte, schrieb die Namen der Pfleger und Ärzte auf.

Als er nach einem halben Jahr aus der ersten Therapie entlassen wurde, setzte er sich zu Hause an den Schreibtisch und tippte die

Notizen in Tagebuch-Form ab. Bei seinem zweiten Aufenthalt in der Rehaklinik in Lingen nahm er die Aufzeichnungen mit , 13 Seiten

waren es. Eine Krankenschwester wurde auf die Aufzeichnungen aufmerksam, nahm sie mit, zeigte sie Kollegen. ,,Dann war es

irgendwann ganz rum", sagt Jürgen Aschemoor und lacht. Als der Arzt am darauffolgenden Tag mit dem Tagebuch in der Hand ins

Zimmer kam, ermutigte er Jürgen Aschemoor, seine Erfahrungen in Buchform niederzuschreiben. ,,Ich habe mich zu Hause gleich

hingesetzt", sagt der Kuhlener.  So hat er seine Geschichte unter dem Titel ,,Leben nach dem Schlaganfall" veröffentlicht.

Außerdem ist der heute 76-Jährige unter die Blogger gegangen, schreibt also auch im Internet über seine Erfahrungen unter der Adresse

www.nachdemschlaganfall.jimdo.com. Darüber ist auch eine Kontaktaufnahme mit dem Autor möglich.

Das schreiben war für Jürgen Aschemoor nach dem Schlaganfall gar nicht mehr so einfach.

Die Tastatur seines Computers kann er mit einer Hand schließlich nur eingeschränkt bedienen. Die Umschalttaste und gleichzeitig den

Buchstaben zu drücken, will man ihn groß schreiben, ist mit einer Hand schier unmöglich. Aschemoor hat seine Tastatur daher auf

einhändig umgestellt. 

Nicht immer hat er sich mit seiner Situation so gut arrangieren können, sagt der 76-Jährige. Lange habe er mit seinem Schicksal

gehadert, sich gefragt, warum sein Leben mit 57 Jahren plötzlich komplett anders war.

,,Wir rätseln heute noch, wie es dazu kam", sagt Aschemoor. Als Risikopatient habe er nicht gegolten. Ein Blutgerinnsel könnte sich

bei einer nicht weit vom Schlaganfall zurückliegenden Operation gelöst haben und durch die Blutbahn gewandert sein, denkt

Jürgen Aschemoor. Trotz allem ist er froh, dass das Sprachzentrum im Gehirn nicht beeinträchtigt ist, und er sich uneingeschränkt

mitteilen kann.

Schon im Beruf musste der Diplom-Ingenieur Lösungen für Probleme finden, auch wenn es sich hier nun nur um Behelfsmöglichkeiten handelte. Das praktische Denken hat ihm auch dabei nun geholfen, sich sein Leben nach dem Schlaganfall wiederzuholen.

Stück für Stück. Jürgen Aschemoor holt ein Schneidebrett aus der Küche. Zwei Zacken stehen hervor , im hinteren Teil ragen kleine Nägel 

empor.  ,,Das Brötchen wird dort aufgespießt, damit es nicht wegrutscht", erklärt Aschemoor.  Brotscheiben werden dann auf den Nägeln fixiert, damit auch sie sich beim Verteilen des Belages nicht von der Stelle bewegen.

Auch sein Auto kann er wieder fahren, ein Stück Freiheit auf vier Rädern. 

Sportliche Wagen waren einmal seine Leidenschaft. Nun ist es ein umgebauter Kleinwagen, den Jürgen Aschemoor steuert.

Blinker rechts, Scheibenwischer rechts und Lenkrad mit Knauf des Automatik-Autos kann er mit einer Hand bedienen. Eine Führerscheinprüfung musste Jürgen Aschemoor nach seiner Erkrankung erneut ablegen. Auf fremde Hilfe ist er ebenfalls nicht mehr angewiesen, wenn er als Mitglied des Prüfungsausschusses der Technischen Zeichner im Bezirk der Industrie- und Handelskammer (IHK) Stade nach Verden unterwegs ist.

Und auch seiner großen Leidenschaft ist Jürgen Aschemoor, der kurz nach der Erkrankung in Rente ging, wieder näher. Als Gründer und

Präsident der Leonardo-Rollerfreunde Bremen kann er nun wieder an gemeinsamen Touren teilnehmen, die etwa an die Mosel oder in die

Niederlande führen. Er fährt mit dem Auto als sogen. ,,Werkstattwagen" hinterher oder auf dem Soziussitz mit, so kann er das volle

Roller-Gefühl wieder genießen , nach dem Motto "On the road again".

Oft war es ein richtiger Kampf, der Jürgen Aschemoor zurück ins Leben führte. Mit der Lähmung kam die Angst vor dem Wasser.

,,Ich hatte richtig Panik, auch nur ein Schiff zu betreten", sagt er. Dann Iernte er in der letzten Reha , sich zumindest auf dem Rücken über Wasser zu halten.

,,Ich habe mir so einiges wieder geholt", sagt Aschemoor und wirkt überaus zufrieden damit.

Er habe nicht aufgegeben, hartnäckig geübt, seine Medikamente zur Vorbeugung genommen  und sich richtig ernährt.

Ein zweiter Schlaganfall war nicht gefolgt. Mit seinem Buch möchte Jürgen Aschemoor anderen ebenfalls Betroffenen  Mut machen.

Er nennt dieses sein ,,zweites neues Leben".

Seit Kurzem besucht er eine Selbsthilfegruppe in Harpstedt, und hat dort einen Vortrag über seinen Weg gehalten.

Sein Buch bringt Jürgen Aschemoor immer wieder Zuschriften , Anfragen und Bestellungen ein.

Eine junge Frau aus Flensburg etwa hatte sich vor Jahren bei ihm gemeldet. Sie hatte ihrem kranken Vater ein Exemplar geschenkt.

,,Der wollte nicht mehr solche medizinischen Fachbücher lesen .Die Tochter hat es ihm einfach auf den Tisch gelegt, und er hat es

dann doch gelesen, weil es eben kein Fachbuch ist, sondern eine Biographie eines selbst Betroffenen". beschreibt Aschemoor.

Noch heute bestehe Kontakt, sie schickt von Zeit zu Zeit Bilder von Ausflügen mit ihrem Vater.

Jürgen Aschemoor braucht einen Moment, bis er mit dem Gehstock an der Haustür angekommen ist. Die Hauptsache für ihn ist,

dass er es selbstständig schafft.

Seine Botschaft für andere Betroffene: ,,Ich habe es geschafft. Ich habe mich nicht aufgegeben.  Das können andere aber auch."                            __________________________________________________________         Copyright:   Alexandra Penth

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Stück für Stück zurück ins Leben
Ein Artikel im Delmenhorster Kreisblatt am 30.8.2022
Zeitungsartikel DEL Kreisblatt 31.8.22.p
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