Blog  - Teil 7   -  kleine Tips "Wie mache ich was ?"                           - Die Zahl 2  -         __Schlußwort__

Abschließend bedankte sich Dr. Ann.. bei mir für meinen interessanten Vortrag und beim Patientenpublikum für die Aufmerksamkeit und das große Interesse. 

Es gab einen rauschenden Beifall.

In den folgenden Tagen hatte ich von mehreren Leuten sehr viel Zuspruch und Lob erhalten. Man hatte meinen Mut zu der Rede bewundert und äußerte häufig die Meinung, daß man das durchaus öfter machen sollte, indem man einen Patienten, der sich so ein Referat selber zutraut, von sich erzählen läßt, das bringe mehr als ein medizinischer Vortrag eines Arztes.

Ich war natürlich  spätestens von diesem Abend an im ganzen Haus bei allen gut bekannt. Überall auf den Fluren, im Treppenhaus, im Fahr-stuhl, im Eßsaal, bei den Therapeutinnen, wenn ich zu den Anwen-dungen ging und natürlich insbesondere auf meiner Station 4 lächelte man mich wohlwollend freundlich an und sprach mich oft an, um noch etwas mehr von meinem Leben nach dem Schlaganfall zu erfahren.

Mitte der 4.Woche ordnete meine Stationsärztin nochmal zur Kontrolle eine Blutuntersuchung zur Überprüfung der Leber- und Nierenfunktion an. Einen Tag später teilte sie mir bei der Visite die Ergebnisse mit :  Cholesterinwert 

                                                      HDL = 37 (> 35)

                                                       LDL = 154 (< 160)

                                                 Gesamt = 189 (< 200)

                                          Triglyceride =   92 (< 180)

                                    Blutzuckerwert =   94 (70 < 115)

Alle Werte waren somit im guten Bereich und Frau Doktor war zufrieden mit mir. Dann ordnete sie mir den sogenannten „Wiener Test“ an.  Der „Wiener Test“ ist ein Reaktionstestprogramm, bei dem meine Auffassungsgabe und Reaktionsschnelligkeit, das Erkennen, Sehen und Handeln gemessen wurde. 

Ich mußte dabei auf einer Schalttafel die Signallampen beachten und beim unregelmäßigen Aufleuchten von roten und grünen Birnen hatte ich die richtigen dazugehörigen Löschtasten schnell zu drücken.

Auch mit dem rechten Fuß wurde das schnelle Umsetzen von einem Pedal (Gaspedal) zum Reaktionspedal (Bremspedal) gemessen.

Der ganze Test diente zur Überprüfung meiner Autofahrtüchtigkeit, den ich zur Verblüffung der Laborantin mit dem Ergebnis von 95 % als voll fahrtauglich bestanden hatte.

Somit hätte ich eigentlich wieder, oder besser gesagt, immer noch 

Auto fahren können und dürfen.

Doch da ich eigentlich immer alle Fahrten, auch heute noch, gemeinsam mit meiner Frau mache, ergibt es sich aus Vernunfts-gründen heraus schon, daß sie dann fährt und ich allenfalls als aktiver Beifahrer mitfahre, denn obwohl wir einen Wagen mit Automatik-getriebe haben, ist es doch für mich riskant mit nur einer Hand zu lenken und die Schalter und Hebel zu bedienen.

An meinem letzten Wochenende hier in der Rehaklinik in Lingen fiel draußen im Emsland sehr viel Schnee und wir hatten im Haus wieder sehr viel Muße und Zeit für uns, ohne Besucher. Wir trafen uns oft in der Cafeteria zum gemütlichen „Klönschnack“ miteinander.

Hier saßen dann auch alle meine guten Bekannten auf meiner kleinen Abschiedsparty bei Cappuccino, Tee, Cola, einem Schoppen Wein oder 

zwei Glas Bier, Erdnüssen, Chips und Salzstangen gemütlich zusam-men, bis es um 22 Uhr auf die Nachtbeleuchtung umschaltete.

Am Mittwoch, den 7. Februar 2001, nach 5 Wochen, war mein Abreisetag aus meiner zweiten Rehamaßnahme in der Hedon-Klinik.

Ich wurde wieder mit dem Taxi von Lingen nach Bremen gebracht.

 

XXI

Nun setzte sich mein „zweites Leben“ wieder von zuhause aus weiter fort. Es waren die Tage und Momente, wo  mich meine Bekannten, die mich nun lange Zeit nicht mehr gesehen hatten, wieder trafen. 

Bei solchen Begegnungen oder Besuchen äußerten sie oft die Bemer-kungen: „Na, Klasse, du kannst ja schon viel besser gehen“,  oder auch: „Toll, man sieht es dir so gar nicht mehr an. Du siehst richtig gut aus.“ Auch mein Arzt, der Neurologe Dr.Me…, war nach seiner Untersu-chung an mir mit den neuen Ergebnissen und der neuen EEG-Kurve sehr zufrieden. Er verschrieb mir wieder 10 Krankengymnastik-therapien nach Vojta und meine unverzichtbaren Medikamente gegen die Spastik im Arm und für die Blutverdünnung ASS100, die ich wohl mein Leben lang nun immer einnehmen muß.

Ein paar Tage später bin ich wieder die 2 km alleine zu Fuß zu meiner Therapeutin gegangen, habe meine Therapiebehandlung mit ihr durchgeführt, habe neue weitere Termine, immer 2 x in der Woche, mit ihr abgesprochen und bin danach wieder langsam die Strecke nach Hause gegangen. 

Es ist jedesmal nicht unbedingt ein leichter Spaziergang, sondern ich betrachte es eher als meine eigene zusätzliche Therapie.

Jedenfalls will ich versuchen, meine weitere Rehabilitation als eine lebenslange Aufgabe zu begreifen und sie in mein tägliches Leben voll zu integrieren. Nicht nur, daß ich die Absicht habe, in regelmäßi-gen Abständen Therapiestunden zu absolvieren, sondern praktische Übungen sollen darüber hinaus Bestandteil meines Alltages sein. Beispielsweise indem ich meine nach dem Schlaganfall zuerst vollstän-dig gelähmte linke Hand, die jetzt schon wieder etwas von dem kann, was sie vor der Katastrophe konnte, noch stärker bewußt bei jeder sich bietenden Gelegenheit einsetze.

An dieser Stelle will ich einmal dem aufmerksam interessierten Leser einige Beispiele beschreiben, wie ich doch viele Dinge mit nur einer Hand selber machen kann, ohne daß ich dazu jemanden um Hilfe bitten muß.

Ich weiß, daß es für einen gesunden Menschen mit zwei Händen schlecht vorstellbar ist, wie man gewisse Dinge mit nur einer Hand erledigen kann. Aber ich habe es immer wieder ehrgeizig versucht selber zu machen und dann schließlich auch meistens hinbekommen, obwohl vieles dabei natürlich sehr viel länger dauert  als es früher einmal ging.

Es beginnt zum Beispiel jeden Morgen mit dem Anziehen. Das geht natürlich nicht so mal eben im Stehen sondern sowieso nur im Sitzen. Hemd und Hose bereiten mir dabei eigentlich keine Probleme, aber die Strümpfe, die muß ich dann mit drei Fingern aufspreizen und über die Zehen und den Fuß ziehen. Meinen linken Fuß erreiche ich dazu nur, indem ich das linke Bein über das rechte schlage. Das ging anfangs noch während meiner ersten Reha nur indem ich es mit der rechten Hand über das rechte Bein zog. Heute hat  sich das linke Bein schon wieder soweit gekräftigt, so daß ich es selbständig überschlagen kann. Allerdings passiert mir dabei noch oft das Mißgeschick, da ich die linke Hand auf dem Schoß liegen habe, daß ich sie dann beim Über-schlagen zwischen den beiden Oberschenkeln einklemme. Dann muß ich meine linke Hand wieder befreien und sie da herausziehen.

Zum Anziehen von Hemd, Pullover, Pulli oder T-Shirt gilt immer die Devise: „Den linken Arm zuerst durch, dann den Kopf und zuletzt den rechten Arm.“ Das hatte ich schon in meiner ersten Reha oft als Leitsatz gehört : „Immer zuerst die kranke Seite!“

Beim Anziehen der Jacke oder des Mantels mache ich es alleine genauso. Und dann kam eines Tages das erstemal die Situation, wo der nette Nachbar nach der Geburtstagsfeier bei ihm zuhause mir in den Mantel helfen wollte. Er hielt ihn mir geöffnet hinten an den Rücken, so daß ich mit dem rechten Arm hätte hineinschlüpfen können. Aber ich wußte sofort, wenn ich das getan hätte, wäre ich danach kläglich gescheitert, denn ich hätte ja den linken Arm nicht nach hinten in den Ärmel hineinbekommen. Also gab ich ihm den erklärenden Hinweis: „Bitte halte ihn mir an die Seite und erst den linken Ärmel.“

„Ja klar – entschuldige“ sagte er verständnisvoll, obwohl er sich nicht wirklich vorstellen konnte, warum das so sein mußte.

Eine etwas andere Schwierigkeit bereiteten mir meine Schuhe. 

In meine geschlossenen, leichten Hausschuhe kam ich relativ mühelos hinein, aber die Straßenschuhe, die ich zum Teil mit Schnürsenkeln zum Binden hatte, konnte ich nicht mehr anziehen, denn ich konnte mit nur einer Hand bzw. mit nur fünf Fingern keinen Knoten und darauf die Schleife binden. 

Es ging einfach nicht !

Also ließ ich mir ein Paar Joggingschuhe mit Klettverschluß schenken und kaufte mir für den Winter noch ein Paar schwarze Straßenschuhe mit Klettverschluß dazu. Diese Verschlüsse bekam ich dann recht gut und mühelos zu.

Meine offenen Hausschlappen, die ich früher so gerne trug, konnte ich allerdings nicht mehr tragen, weil mir wegen der mangelnden Beweg-lichkeit des linken Fußes und der Zehen  der Schuh beim zweiten Schritt nach vorne entglitt.   

Ich bin zuhause gerne meiner ohnehin berufstätigen Frau etwas mit dem Haushalt behilflich, soweit ich es kann. Ich mache mir auch mein Frühstück oder Abendbrot selber. Dabei ist mir mein Einhand-frühstücksbrettchen, was ich ja schon während der ersten Reha in der Hedon-Klinik kennengelernt hatte, sehr gut behilflich, denn ich habe es auch nach Hause geschickt bekommen und benutze es immer, so wie bereits anfangs beschrieben.

Zu Beginn, noch in der Klinik, hatte es mir große Schwierigkeiten bereitet eine Mineralwasserflasche zu öffnen. Später, mit wieder-erlangter und zunehmender Kraft in den Beinen, konnte ich die Flasche zwischen den Oberschenkeln im Sitzen fest genug einklemmen und halten, so daß ich mit der rechten Hand den Drehverschluß aufbekam.

So ähnlich geht das heute auch wieder mit einer Bierflasche mit dem Kronenverschluß. Ich muß nur peinlichst darauf achten, daß ich sie vorher und beim Halten mit den Oberschenkeln nicht zu sehr schüttele, sonst hab` ich hinterher den herausquellenden Schaum auf der Hose und dem Sitz.  

Und dann ist da noch die Zahnpastatube, die es gilt mit einer Hand aufzuschrauben, aber wenn sie zuvor nicht allzu fest zugeschraubt worden ist, so ist es doch zu schaffen und auch das Zudrehen klappt mit der Zeit immer besser.

Jedoch hab` ich mich des öfteren schon über eine scheinbare Neben-sächlichkeit geärgert. Wenn ich zum Beispiel in einem Lokal auf der Toilette sitze, hängt meistens die Papierrolle links von mir an der Wand. Ich habe einige Mühe mit der rechten Hand dort anzukommen und dann auch die richtige Perforation zwischen dem Daumen und Zeigefinger zu bekommen.

Oder neulich, als wir bei Bekannten zu Besuch waren, mußte ich mal kurz auf die Toilette. Der Hausherr zeigte mir den Weg, öffnete mir die Tür, machte das Licht an und zeigte mir voller Stolz das von ihm selber neu verflieste Badezimmer. Alles war neu, schöne blitzende Arma-turen, freundlich helle Fliesen, weiße Holzdecke mit integrierten Halogenlämpchen, einen tollen Spiegelschrank mit indirekter Beleuch-tung. Ich war überwältigt und staunte. Er war stolz auf sich, war zufrie-den mit meinem Lob und ließ mich allein. Ich setzte mich und schaute mich ‚währenddessen’ noch etwas im Raum um. Links von mir war das schöne Handwaschbecken, rechts die Badewanne, an der man natürlich nicht die Papierrolle befestigen kann. Die war links hinter mir an der Rückwand neben dem Spülkasten. 

‚Na toll’ – dachte ich – ‚und nun?’  Ich mußte einige akrobatische Ver-renkungen machen, um dort heranzukommen. Zu allem Übel war die Blattperforation auch noch so miserabel, daß ich ein Blatt  nur völlig zerfleddert fast nicht von der Rolle bekam. Ich kam erst zwanzig Minuten später wieder ins Wohnzimmer zurück und er fragte mich : „Na – wie war`s ?“ Ich antwortete: „Anstrengend !“ Alle lachten herzhaft und hatten ´was ganz anderes gedacht als ich eigentlich gemeint hatte.

Bei vielen Tätigkeiten, wie z.B. beim Essen oder auch die Brotscheibe bestreichen benutze ich immer meine linke Hand mit. Sie wirkt dann im gewissen Sinne als Stütze zum Gegenhalt damit die Margarine-schachtel beim Herausstreichen mir nicht vom Tisch rutscht.

Ein englischer Arzt hatte einmal vor über zweihundert Jahren als erster Mediziner den dafür passenden Begriff geprägt indem er sagte :

„It`s not your paralysed hand, it is your helphand.”

Etwas was ich nun gar nicht mehr schaffe, ist, eine Wurstdose mit dem Dosenöffner aufzumachen. Dazu hat meine ‚helphand’ doch nicht genug Kraft zum Halten. 

Beim Essen, vornehmlich in öffentlichen Lokalen, bin ich immer froh, daß ich meistens meine Frau neben mir sitzen habe. Und wenn es 

dann gilt, das Schnitzel klein zu schneiden, so erledigt sie das sofort unauffällig auf meinem Teller für mich.

  Ein anderes Phänomen schleicht sich allerdings nach über zwei Jahren Einhandtätigkeit auch immer öfter bei mir ein: Die Gewöhnung, alles nur mit einer Hand zu tun, ist so groß, daß ich oft meine Linke dabei vergesse. Ich hab` sie ja noch und kann sie, wenn auch minimal und begrenzt, wenigstens als ‚helphand’ einsetzen.

Doch oft genug denke ich wiederum auch bewußt daran, etwas mit Links zu tun. So zum Beispiel, wenn ich die volle Teetasse mit der rechten Hand von der Küche in die Stube tragen will, dann drücke ich mit der Linken den Lichtschalter in der Küche aus, stoße mit ihr die Küchentür nach außen auf, drücke die Klinke der Stubentür herunter und kann sie zum Öffnen zu mir herziehen, dabei immer wohlbedacht und balancierend den Tee in der Tasse nicht zu verschütten.

 

XXII

Es war am 22.Februar 2001, ein Donnerstagnachmittag. 

Ich ging durch die Terrassentür hinaus in den Garten, mit der rechten Hand den vollen Mülleimer aus der Küche tragend. Plötzlich, auf halbem Weg bis hin zum Müllbehälter, durchströmte meinen Körper, insbesondere das linke Bein ein seltsam warmes Gefühl und der nächste Schritt ging wieder ganz leicht, so normal so wie ich früher einmal ging. Ich machte noch vier normale, gleichmäßige Schritte bis zum Blockhaus, setzte den Eimer ab und nahm ihn mit der linken Hand wieder hoch. Ich klappte mit der rechten Hand den Behälterdeckel hoch und kippte mit der linken den Eimerinhalt aus. Dann ging ich unbeschwert und ohne Lähmungserscheinung den Weg zum Haus wieder zurück. 

Aber wie ich dort eigentlich angekommen war, wußte ich vor Freude dann nicht mehr. —  

Es war am Nachmittag. Ich lag im Wohnzimmer auf der Couch, hatte geschlafen, wachte auf und –  hatte alles nur geträumt. 

Es war leider mal wieder nur ein Traum gewesen. 

Ein schöner Wunschtraum.

 

Am 2.März ging ich wieder meine 2 Kilometer zu Fuß zu meiner Vojta-Therapeutin mit meinem Gehstock. 

Nach der ½ Stunde Krankengymnastik auf dem Rückweg war ich so locker und gut drauf, daß ich anfing nur bei jedem zweiten Schritt den Stock aufzusetzen, so wie ein lockerer Wanderer in den Bergen. Dann nahm ich mir in der Ferne an der schnurgeraden Straße einen Briefkasten als Ziel, bis zu dem ich ohne Stock gehen wollte. Ich nahm ihn hoch, hielt ihn in der Mitte fest und trug ihn waagerecht. Es war wohl zirka ein Kilometer, den ich ohne Stock gegangen bin und ich habe es später voller Stolz oft erzählt.

 Ich wurde immer mutiger und konnte im Laufe der Zeit immer besser gehen. Ab dem 2.Mai nahm ich meinen Stock auf kürzeren Wegen, wie z.B. zum Briefkasten nicht mehr mit.

Am 2.Juni, den Samstag vor Pfingsten, hielt ich etwas in der rechten Hand und wollte die Treppe hochgehen. Dadurch konnte ich mich nun nicht am Handlauf festhalten und versuchte es ohne mich rechts zu stützen. Ich schaffte es an diesem Tag zum erstenmal freihändig die Treppe hinaufzugehen. – 

Es war somit wieder ein kleiner Erfolg und für mich ein großer Schritt voran.

Ich schrieb an diesem Tag am Abend wieder ein paar Notizen in mein Tagebuch und machte dabei eine merkwürdige Entdeckung.

Es war die Zahl 2 !

Seit meinem schicksalhaften Tag hingen sehr viele Ereignisse unmittel-bar mit der Zahl 2 zusammen. 

Ich rekonstruierte, verfolgte meine Tagebuchaufzeichnungen und stellte dabei etwas Seltsames fest.

Mir fiel in meinen Tagebuchaufzeichnungen eine eigenartige Kontinuität der ständig auftauchenden Zahl 2 auf .

In einer kleinen Tabelle wurde es dann deutlich sichtbar und offenbarte sich irgendwie auf eine seltsam magische Art, wie es sich im Folgenden hier nun klar darstellt :

 

Die magische Zahl 2 bei meiner Krankheit

 

2.12.99         Schlaganfall in Delmenhorst

2  Tage         auf Intensivstation

2  Wochen   im Krankenhaus Delmenhorst

2  Tage          Frühreha (geschlossene Station) in Hedon-Klinik, Lingen

2  Wochen    noch im Rollstuhl in Hedon-Klinik

2.1.00             ersten Tag mit Stock gegangen

2.2.00            800 m bis Ampel B214 gegangen

2.2.00            Schlaftraum von einer plötzlichen Nichtlähmung

20.2.00          2 Stunden Spaziergang im Hedon-Wald

2.3.00            erste Therapie zuhause bei Mara B. (Bobath)

2.4.00            erster Tag wieder bei Schünemann arbeiten

2.5.00            erster Tag neue Therapie bei Doris A. (Vojta)

2.7.00            Einreichung der Rente

2.8.00            Rentenantrag Zusatzangaben

2.9.00            erste aktive Arbeit: im Garten Blockhaus gestrichen

2.11.00           Heinz H. seit Krkhs.Delmenh. wiedergesehen bei Besuch

22                   Zimmer-Nr. auf Station N4 in Hedon-Klinik bei 2. Reha

2.2.01              Wiener-Test (Autofahrtauglichkeitsprüfung) bestanden

20.2.01            wieder erste Vojta-Therapie bei Doris A. nach 2. Reha

22.2.01             Schlaftraum von plötzlicher Nichtlähmung

2.3.01               2 km Fußweg zur Therapeutin, davon 1 km ohne Stock

2.5.01               keinen Stock mehr nötig zum Gehen

2.6.01               zum erstenmal freihändig die Treppe hochgegangen

 

Ab dem 2. August war ich dann in unserem Ferienhaus in Sandhatten  für 2 Wochen alleine zur Erholung dort im Wald bei schönstem Wetter. Ich war ganz alleine auf mich gestellt, machte mir selber mein Essen,   beschäftigte mich mit vielen Dingen am Haus und konnte viel lesen und schreiben. In diesen Tagen begann ich dort meine ersten Sätze an diesem Buch zu schreiben. Dort hatte ich die nötige Ruhe und die Muße anhand meiner Tagebuchaufzeichnungen nun die richtigen Worte für meine Biografie zu finden und die vielen Gedanken, Empfindungen und Eindrücke zu Papier zu bringen.

Ein paar Wochen später setzte ich mich dann zuhause an den Computer und schrieb die ersten Seiten für mein erstes Buchkonzept sauber im Microsoft-Word ins Reine.

Die Stunden vergingen wie im Flug. Die Tage und Wochen verronnen. Der Herbst dieses Jahres zog über das Land.

Am 26.Oktober 2001 feierte ich meinen 59. Geburtstag im kleinen Familienkreis und am Wochenende darauf waren unsere beiden Nachbarehepaare bei uns dazu eingeladen.

Es war mal wieder recht interessant und wohltuend für mich

bei Kaffee und Kuchen von Ihnen das Neueste aus der Nachbarschaft und von anderen gemeinsamen Bekannten zu erfahren. Früher hielt ich mich in solchen Dingen ständig auf dem Laufenden, aber da ich nun  nicht mehr mit meinem Fahrrad und auch nicht mit meinem Motor-roller fahren konnte, kam ich nicht mehr genug unter die Menschen in der Stadt, sah die kleinen Veränderungen nicht mehr und hatte auch keinen direkten Kontakt mehr zu den Leuten.

Ein paar Tage nach meinem Geburtstag hatte ich wieder einen regelmäßigen Termin bei meinem Neurologen Dr. Me… .              Seine Assistentin nahm ein sehr zeitaufwendiges EEG an mir auf.

In dem anschließenden Gespräch erläuterte er mir die aufgezeichneten Gehirnstrommessungen, stellte dabei eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu dem vor einem Jahr gemessenen EEG fest und war sehr zufrieden mit mir.

Um noch mehr für eine Verbesserung meiner körperlichen Motorik zu tun, verschrieb er mir zusätzlich zu der KG-Vojta-Therapie noch zehn Anwendungen für eine einmal wöchentliche Ergotherapie.

Glücklicherweise ist bei uns in der Nähe beim Roland Center eine Heilpraxis in der ich eine gute Ergotherapeutin, Frl. Antje Meyer, fand, die mich seitdem sehr gut am linken Arm und Bein gezielt ergothera-peutisch behandelt.

Somit hatte ich von nun an drei Anwendungen pro Woche: zweimal KGV und einmal Ergo, die ich heute immer noch regelmäßig vom Arzt verschrieben bekomme und eifrig durchführe.

Aber auf meine mich immer quälende Frage : 

“Wann werde ich denn nach nun schon inzwischen 2 Jahren wohl wieder meine linke Hand bewegen können, Herr Doktor? Werde ich wenigstens bald wieder besser gehen können, mit einer verbesserten Koordination der Muskelbewegungen im linken Bein und Fuß?“, darauf konnte und mochte er mir keine rechte Antwort geben. Also blieb ich mit meinen Wunschvorstellungen wieder allein und fügte mich in mein Schicksal.

Am  2. Dezember kam dann mein zweiter Jahrestag meines Schicksalstages. Es war ein Sonntag in diesem Jahr und ich war den ganzen Tag über sehr in mich gekehrt und nachdenklich.

Die Erinnerungen und Gedanken an vergangene Monate ließen mich nicht los und machten mich sehr schweigsam an diesem Tag. Doch am Wochenanfang hatte mich der Alltag wieder und alles ging in seinem täglichen und wöchentlichen Rhythmus wieder weiter.

Die Weihnachtstage und Silvester ins neue Jahr 2002 verliefen sehr ruhig und harmonisch. Wir hatten Ingrids Mutter aus Bayern bei uns zu Besuch und holten dann noch meine Mutter aus der Stadt zur guten Geselligkeit dazu. So gab es oft viel zu erzählen und neues zu hören.

Nachdem dann meine Schwiegermutter wieder abgereist und bei sich zu Hause in Feuchtwangen war und Ingrid tagsüber wieder zur Arbeit ging, nahm ich die Gelegenheit wahr, wieder ein paar Tage in unserem Ferienhaus im Wald in Sandhatten zu verbringen.

Ich schrieb dort noch einige Zwischenabsätze zu den Themen und Gedanken in den ersten Computerausdruck meines Buchmanuskriptes, die mir im Laufe der Zeit eingefallen waren.

Als ich danach dann wieder zuhause war, beantragte ich bei meiner Rentenkasse noch einmal eine stationäre Rehamaßnahme. Es wäre die dritte in zwei Jahren gewesen, aber leider bekam ich eine Ablehnung von der Seekasse aus Hamburg, weil ich dort nicht als Kranker sondern als Erwerbsunfähigkeitsrentner geführt werde. 

Ein anschließender Reha-Antrag bei der Techniker Krankenkasse in Bremen wurde ebenfalls abgelehnt mit der merkwürdigen Begründung: 

´Da sich ja mein körperlicher Zustand nicht akut verschlechtert habe, solle ich vorerst die ambulanten Therapien am Wohnort weiter durchführen.`

Somit nahm ich dann des öfteren die Möglichkeit wahr, ein paar erholsame, ruhige Tage in unserem Waldhaus allein zu verbringen und schrieb dort Anfang April 2002 die Schlußworte dieses Buches.

 

Alle die hier im Buch an einigen Stellen beschriebenen Behandlungen und Therapiemethoden, die bei mir durchgeführt wurden, sind ein Teil der Möglichkeiten, die bei einem Schlaganfallpatienten angewendet werden können. Welche Behandlung jeweils die beste und notwendige ist, hängt jedoch von der Art und Schwere des Apoplexes und der Behinderung ab.

Wichtigstes Ziel jeder Behandlung und allen ärztlichen Handelns ist aber die Verbesserung der Lebensqualität des Betroffenen.

Ich bin zeitweise mit den neuesten Geräten untersucht und von den Ärzten und Therapeuten nach den neuesten Erkenntnissen und Methoden behandelt worden.

Die moderne Medizin ist dabei eine große Hilfe. Doch wir sollten nie vergessen, daß auch sie an ihre Grenzen stoßen kann.

Dazu gehört auch die Erkenntnis, daß zum Leben letztendlich auch der Tod dazugehört !

 

 

 

Schlußbemerkung

Der wichtigste Unterschied zwischen meinem „ersten Leben“ und dem jetzigen „zweiten Leben“ nach dem Schlaganfall besteht wohl darin,

daß ich früher sehr viele Dinge als Ingenieur rein technisch und berechnend angegangen bin, wohingegen ich heute oft Fakten und Ursachen vordergründig hinterfrage.

Es sind heute ganz andere Dinge wichtig geworden. Ich sehe das Leben aus einer völlig anderen Perspektive als damals.

Die früher angeblich immer so wichtigen Begebenheiten sind heutzutage so unwichtig geworden und erscheinen mir in einem ganz anderen Licht. Auch die sonst so durchaus wichtigen Termine, mit der damit unmittelbar verbundenen Hektik, habe ich heute nicht mehr. Es gibt diesen nervenzermürbenden Streß nicht mehr.

Heute zählen ganz andere Werte von viel tieferer Bedeutung und Tragweite.

Da ich heute handwerklich kaum noch etwas bewältigen kann, habe ich mich voll und ganz auf meine mir gesund gebliebene rechte Hand und meinen mir erhalten gebliebenen guten Verstand konzentriert. Dabei habe ich bei mir das Wort und die Ausdrucksweise in Rede und Schrift entdeckt.

So habe ich mich also in meinem „neuen Leben“ zu meiner eigenen Beschäftigung ganz auf kleine und größere Artikel in Fachzeitschriften, Zeitungen und dergleichen festgelegt.

Ich habe mit Beginn meines „zweiten Lebens“ die handschriftlichen Tagebuchnotizen anschließend am PC  aufgelistet niedergeschrieben.

Diese genauen Aufzeichnungen haben mich dazu beflügelt und Schwestern, Therapeuten, Ärzte, Bekannte und Freunde haben mich dazu ermutigt ein Buch zu schreiben. Und daraus ist nun Jahre später dieser Blog entstanden.

Die Arbeit an diesem Buch hat mir die Orientierung in meinem „neuen, zweiten Leben“ nach dem Schlaganfall wenn schon nicht überhaupt erst ermöglicht, so aber doch ganz sicher wesentlich erleichtert.

Es gilt hierbei auch für mich der starke Ausspruch eines Verlegers :

„Ist Schreiben das Signal des Schriftstellers, so wird das Buch zu seinem eigentlichen Leuchtfeuer.“

Mein so verändertes „neues Leben“ begann an meinem dunkelsten Tag, dem 2. Dezember 1999. An diesem Tag war der Beginn meiner zweiten Lebensweise und der Anfang dieser Biografie, mit allen darin ausgedrückten Gefühlen, Eindrücken, Erfahrungen und Empfindungen von der bitteren Realität meines Schicksalsschlages.   

Es war mein Schicksalstag, an dem sich von da an alles veränderte.

Heute stehe ich mitten in meinem Leben nach dem Schlaganfall.

Nichts ist mehr so wie es mal war.

Es war einmal………!